Der ADAC hat einen neuartigen, realitätsnahen Crashtest entwickelt und die Fahrzeuge smart fortwo, Fiat 500, Renault Twingo sowie Kia Picanto getestet. Resultat: Lebensbedrohliche Verletzungen durch hohe Brustbelastungen beim Fahrer kann einzig der smart fortwo verhindern – und das obwohl er das kleinste und leichteste Fahrzeug im Test war.
Beim sogenannten Kompatibilitäts-Crashtest des ADAC wird eine Kollision mit einem Unfallgegner der unteren Mittelklasse (rund 1400 kg) mithilfe eines Barrierewagen simuliert, der das Testfahrzeug mit 50% Überlappung trifft. Das gibt die Realität sehr gut wieder, denn die Wahrscheinlichkeit, mit einem Kleinstwagen wie z.B. dem fortwo bei einem Crash auf ein größeres Fahrzeug zu treffen, ist naturgemäß sehr hoch.
Beim klassischen NCAP Crashtest wird dagegen aufgrund des Versuchsaufbaus immer nur die unwahrscheinlichste aller Crashsituationen simuliert: Ein Aufprall mit einem Fahrzeug exakt gleichen Gewichts. Kollidiert ein leichtes Fahrzeug mit einem schweren, muss das leichte wesentlich mehr Crashenergie absorbieren, als im NCAP Test geprüft wird.
Daimler beachtet bei der Entwicklung seiner Fahrzeuge seit langem die Massenunterschiede im Falle eines Crashs. So wurde für den smart ein umfassendes Konzept zum Insassenschutz entwickelt. Der fortwo hat wie jedes Fahrzeug eine vollwertige Knautschzone im Frontbereich. Viele Menschen unterliegen dem Irrglauben, eine lange Motorhaube bedeute viel Schutz. In Wirklichkeit ist jedoch der vorne sitzende Motor ein solider Block, der in keiner Weise Energie absorbieren kann. Darum hat der smart mit seinem Heckmotor trotz kurzer Schnauze eine mit der Polo-Klasse vergleichbare Knautschzone. Ist diese Knautschzone aufgezehrt, greifen beim fortwo weitere Schutzmechanismen. So schwingen Heckmotor und Hinterachse des fortwo unterm Fahrzeugboden nach vorne und bauen damit am Fahzeugheck weitere Crashenergie ab. Sogar die Sitzgestelle absorbieren Energie. Optimierte Rückhaltesysteme und die sehr steife Tridion Sicherheitszelle sorgen dabei für ein hohes Niveau an Insassenschutz.
Da die Knautschzonen an einem Kleinstwagen nicht beliebig vergrößert werden können, sind große Mercedes-Benz Fahrzeuge so ausgelegt, daß sie ihre Knautschzone im Falle eines Aufpralles teilweise an leichtere Fahrzeug „abgeben“ können. Dies wurde bereits eindrucksvoll im Jahr 1999 demonstriert, als bei einem Crashtest der smart und die mehr als doppelt so schwere S-Klasse aufeinanderprallten. Der smart kippte zwar am Ende auf dramatisch wirkende Weise um, die Werte der Dummies zeigten jedoch: keine Lebensgefahr für die Insassen.
http://www.youtube.com/watch?v=EGhJHAtdVe8
Mit Schrecken erinnert man sich in diesem Zusammenhang an den Crashtest zwischen dem Audi Q7 und dem Fiat 500. Hierbei versagten die Schutzsysteme völlig, der extem steife Längsträger des Q7 (der ihm beim NCAP Crashtest zu 5 Sternen verhilft) bohrte sich wie eine Lanze bis in den Innenraum des Fiat 500. Der Längsträger des Q7 knautschte nicht und konnte somit auch keine Crahsenergie absorbieren. Die Knautschzone des Fiat 500 wurde ebenfalls nicht aktiviert, da sich seine Crashelemente nicht wie nötig an den Crashelementen des Q7 abstützen konnten. Die Insassen des Fiat 500 hätten lebensgefährliche Verletzungen davongetragen.
Der neue ADAC-Test soll genau solche Inkompatibilitäten zwischen unterschiedlichen Fahrzeugklassen entlarven. Der ADAC fordert, daß alle Hersteller die Konstruktion der Crashelemente grundsätzlich verändern. So soll die gesamte Front wie ein Schutzschild konstruiert sein, das in jeder Aufprallsituation die Crashenergie auf die Crashelemente ableitet. Dadurch soll gewährleistet werden, daß die Knautschzonen beider Fahrzeuge auch im ungünstigsten Falle aktiviert werden. Derzeit ist es oft so, daß wie beim Q7 zwei steife, lanzenartige Crashelemente unter der weichen Karosserie „lauern“ und sich ins andere Fahrzeug bohren können.
Beim ADAC Kompatibiltätstest hat einzig der smart fortwo seine Insassen vor lebensbedrohlichen Verletzungen bewahrt. Diese erstaunliche Tatsache wird allerdings nur in der Pressemitteilung des ADAC erwähnt – im dazugehörigen Video wird darüber kein Wort verloren. Auch der getestete Fiat 500 wird nicht erwähnt.
Bei diesen Crashtests geht es immer nur um „lebensbedrohliche“ Verletzungen. Die zahlreichen Verletzungen unterhalb dieser hohen Schwelle – Folgen der wegen der kurzen Knautschzone vorgenommenen Versteifung der Fahrgastzelle und der übrigen Sicherheitssysteme, z.B. Knochenbrüche, Bandscheibenvorfälle, Halswirbeltraumata, Kopfschmerzen und Gehirnerschütterungen werden bei den Kleinstwagen nicht oder kaum berücksichtigt.